Die Kategorie Inside carbonauten behandelt Menschen, ihre persönliche Motivation und ihren Lebensweg. Im ersten Interview mit Torsten möchte ich die Anfänge von carbonauten ergründen, und vor allem die Ideengeber dahinter.
Aaron: Servus Torsten, kannst du mal den Gedankenprozess ab dem Kennenlernen von Christoph und dir, bis heute, im Zeitraffer beschreiben? Unter welchen Umständen habt ihr euch kennengelernt? Wie seid ihr auf die Idee gekommen ein gemeinsames Projekt zu starten? Wann habt ihr entschieden euch dieser Sache so intensiv zu widmen?
Torsten: Ich hab Christoph 2013 kennengelernt, in meiner damaligen Firma. Da hatten wir einen Mitarbeiter der einen Raum für ein Treffen von Christoph und anderen Fachleuten aus dem Bereich Kohle gesucht hat. Die wollten eine Karbonisierungsanlage aufbauen. Ich hab mich da vorgestellt, habe gehört was die so machen, und fand den Christoph damals schon sehr gut, sehr souverän. Er war auch der, der mir dann im Kopf geblieben ist. Danach gab es zwischen uns immer so einen unregelmäßigen Austausch.
Ich habe dann begonnen mich mit Kohlenstoff zu beschäftigen und eine Faszination dafür entdeckt, weil ich von Terra Preta gelesen habe. Diese sehr fruchtbare Erde, die die Indios schon vor ein paar hundert Jahren im Amazonas entwickelt haben und die heute noch funktioniert. Das fand ich richtig interessant. Ich habe total Bock drauf gehabt und hatte eigentlich gar nicht mehr so richtig Lust auf meine Firma, weil ich gemerkt hab, da steckt viel mehr drin. Mich haben auch die Produktionsanlagen fasziniert. Ich bin Produktdesigner und sehr maschinenaffin und prozessaffin, materialaffin sowieso.
Ich hatte dann die Idee für die Carbuna AG, und habe Christoph eingeladen als Mitgesellschafter an Bord zu kommen. Christoph hat aber immer gesagt: „Ich kann das nicht. Ich bin Geschäftsführer bei einer anderen Firma und habe ein Wettbewerbsverbot. Aber ich finde es cool, was ihr macht.“ Die Carbuna AG ist auch gegründet worden, ich habe aber meine Aktienoption nie gezogen. Die Firma gibt’s heute noch. Die haben sich glaub ganz gut entwickelt. Sie haben gute Investoren und sind spezialisiert auf Bodenhilfsstoffe.
Christoph hatte in dieser Zeit gemerkt, dass er mit seiner Firma auch nicht so richtig vorankam. Da war er unzufrieden, und ich war unzufrieden. Und dann haben wir 2017 gesagt, wir setzen jetzt alles auf 0 zurück. Christoph bringt die Maschinentechnologie, das Know-how, die Erfahrung, und die Praxis mit. Ich bringe die Themen Materialentwicklung und Anwendungsentwicklung mit. Und ich wollte es von Anfang an groß machen.
Aaron: Das heißt du wusstest von Anfang an schon welches Ausmaß carbonauten annehmen könnte oder ist der Traum auch ein bisschen mit dem Projekt gewachsen?
Torsten: Der ist mit dem Projekt gewachsen. Als wir gegründet haben, hatten wir bereits vor große Mengen an CO2 zu entziehen. Wir haben 2017 bei den ersten Präsentationen unseres Start-Ups vor Investoren schon über das Thema Emissionen und Energie gesprochen. Das hatten die aber nicht auf dem Radar.
Das entscheidende Momentum war dann, als die Idee kam den Kohlenstoff in Kunststoff einzumischen. Ich kannte mich schon ein bisschen mit Kunststoffen aus, weil ich zuvor mit meiner Firma für Gardena gearbeitet habe. Dann habe ich gesagt, gut die nehmen ja auch andere Füllstoffe, warum nicht auch mal mit Kohlenstoff versuchen. 2019 haben wir das dann gemacht und viel Geld in die Hand genommen. Geld das wir eigentlich nicht hatten. Wir haben einen Versuch gemacht am SKZ (eines der führenden Kunststoffzentren). Die hatte ich einfach per Telefon beauftragt. „Ich schick euch mal bisschen Kohlenstoff und ihr mischt den in einen Biokunststoff.“ Das haben die gemacht und das hat funktioniert. Das war so der Schlüsselmoment wo wir gesagt haben es ist ja viel mehr als nur Landwirtschaft. Da kann man tolle Sachen draus machen.
Danach haben wir auf die Kombination von Biokohlenstoff mit verschiedenen Bindern ein Patent angemeldet. Mit Mineralien, Kunststoffen, Erden, also allem Möglichen. Die Vielfalt kam eigentlich erst im Lauf der Zeit. Am Anfang muss man da mal über seinen Schatten springen, ist vielleicht auch nicht mutig genug auch was anderes zu probieren, aber Christoph war total fasziniert. Ich hatte da bisschen Sorgen. Gefällt ihm das? Was meint er dazu? Denn Landwirtschaft läuft ja…. Und dann hat er diese kleine spritzgegossene Schale gesehen und gesagt: „Ja das ist ein geiles Teil. Du machst das richtig.“ Dann kam eben die Idee das aufzuweiten in die Bauindustrie und in weitere Industrien. So kam eigentlich die Grundidee von carbonauten. Ein sehr simples Produkt in unterschiedliche Materialien für verschiedene Industrien einzumischen.
Was wir von Anfang an gesagt haben, gilt auch heute noch. Dass wir unabhängig sein müssen vom Input wie auch vom Output. Wir dürfen nicht abhängig sein von einer Biomasse und wir dürfen auch nicht abhängig sein von einem Markt. Wenn die Versorgung mit einer Biomasse zusammenbricht oder teurer wird, dann hast du ein Problem. Wenn du auf einem Absatzmarkt einen totalen Fokus auf ein Endprodukt hast, dann ist das ein enormes Risiko. Das macht‘s einfacher, aber es ist auch ein enormes Risiko.
Wir hatten immer Spaß dran die Dinge kreativ zu entwickeln. Das macht es komplizierter, aber es macht es auch viel attraktiver. Dadurch, dass alles verknüpft ist, haben wir auch gemerkt, dass Landwirtschaft mit Kunststoffen und Bauindustrie durchaus eine gemeinsame Basis hat.
Aaron: Und alles um die Technologie drum herum? Alles, was Attitüde angeht? Die Idee Produktionsprozesse regenerativ zu machen, und somit die Wirtschaft ein Stück weit zu revolutionieren? War das von Anfang an euer Traum, oder habt ihr erst im Nachhinein gemerkt: „Ok, mit diesen technologischen Mitteln funktioniert das“?
Torsten: Also ich bin schon immer ein grüner gewesen, und auch Christoph hat ne starke Naturbezogenheit, aber ich war da noch viel getriebener als er, oder bin’s vielleicht auch heute noch. Wir haben beide eine ökologische Grundlage, und zur Ökologie gehört für mich auch ein Gemeinsinn. Den haben wir beide. Wir sind beide, das kann ich vor allem von Christoph behaupten, ich hoffe, dass ich’s auch bin, anständige Menschen. Das ist etwas, was uns auszeichnet. Wir haben keine Starallüren, uns ist Geld jetzt nicht so wichtig. Wir sehen die Freude in unserem Tun. Diese Freude an andere zu übertragen, das ist uns eigentlich viel wichtiger.
Dieses Thema Natur, und mit der Natur im Einklang eine Wirtschaftlichkeit zu erzeugen, das ist ein superschönes Thema. Wir können jetzt nicht zurück in die Höhlen gehen. Das wäre zwar das Beste für die Menschheit, wir sind letztendlich nackte Affen, und nichts anderes. Aber ich musste eben versuchen einen Konsens zu finden, zwischen dem was der Planet zulässt und menschlichen Verhaltensweisen.
Da ist insbesondere auch das sozialpolitische Thema reizvoll. Gemeinsinn. Teilen. Andere teilhaben zu lassen, das ist etwas, was auch Wachstum bringt. Wir wollen wachsen durch Teilen. Wie ein Organismus. Eine Zelle teilt sich. Und wenn sie sich dann weiterteilt, dynamisch, dann entsteht irgendwann ein großer Organismus. Aus einer einzigen Zelle, die mal bereit war, sich zu teilen. Wenn das die anderen Zellen auch machen, dann läufts. Diesen Gedanken spürt man zum Beispiel bei dem Carbon Removal Fund. Da ist das Teilen ein ganz toller Antrieb. Das ist eine sehr hohe Befriedigung. Das ist das, was uns antreibt, einfach ein verdammt gutes Gefühl zu haben.
Aaron: Gute Überleitung. Was waren die geilsten Momente bis jetzt?
Torsten: Christoph kennenzulernen, absolut. Dann wahrscheinlich das erste Mal auf der Bühne zu stehen, und zu schwitzen, und noch nie vorher nen Pitch gemacht zu haben. Wir hatten beide Unternehmen, wir hatten ja beide schon Erfahrung. Aber Start-Up-Welt war einfach was anderes. Dann sicherlich die Gründung selbst, also der Gang zum Notar. Mit kleinem Geld, irgendwie zusammengekratzt. Ein paar Tausend Euro, um die Firma zu gründen, und nebenher zu arbeiten. Dann war sicherlich ein toller Moment als wir mal bei der Karbonisierungsanlage in den Niederlanden waren, bei den Prototypen. Tolle Momente waren auch wenn die Leute gesagt haben: „Wow, carbonauten, das klingt gut. Toller Name, und ihr habt nen tollen Auftritt. Was ihr macht ist klasse.“ Da gab’s viel Lob von allen Seiten – aber selten Geld – das war ein Problem. Dann auch immer wieder die Firma aufgefangen zu haben. Das waren immer große Leistungen. Dann die ersten Leute an Bord zu bekommen, wo man gemerkt hat, die blicken‘s gar nicht, aber irgendwie scheint das was tolles für die zu sein. Das ist ganz merkwürdig. Da ist man sofort per du, das ist alles sehr kollegial, jeder neue Mitarbeiter hat das Ding neu mitgetragen. Den Cris Hedesiu kennenzulernen, die Know-how-Treiber mit an Bord zu haben. Einfach gemerkt zu haben, dass das Thema vielen gut gefällt, und dass es nicht um Geld geht, sondern um eine Haltung. Diese Offenheit, wenn man spürt die Menschen können toll mit der Freiheit, die man ihnen gibt, umgehen. Letztendlich sind sie alle so kleine Christophs und Torstens. Das ist das, was viele antreibt. Dann war sicherlich ein toller Moment, als der Tieflader in Eberswalde das erste Teil angebracht hat. Und natürlich viele tolle Leute dort oben kennenzulernen. Ein toller Moment war sicherlich auch die Zündung der ersten Retorte. Als wir zum ersten Mal gesehen haben, wie der Ofen hochfährt.
Aaron: Parallel dazu, schon mal ernsthaft erwogen, alles hinzuschmeißen? Oder auch unfreiwillig gedacht: „Fuck, das war’s jetzt“?
Torsten: Also das erste nie. Nie. Weder Christoph noch Ich. Wir sind keine Menschen, die aufgeben können. Es macht zu viel Spaß. Irgendwann kommst du auch in ein Alter, wo du dir überlegst: „Was hast du eigentlich noch vor dir? Und wie willst du das gestalten, so die letzten 30, wenn’s gut geht vielleicht 40 Jahre?“ Da gibt’s das Momentum Aufgeben nicht. Da sind wir beide zu sehr Unternehmer.
Also auch nicht bei den „Herausforderungen“, würde jetzt der Politiker sagen, und davon hatten wir einige. Auch private Krisen, wo du dann an der Supermarktkasse stehst, und die Karte geht nicht und die ganze Nachbarschaft steht in der Schlange hinter dir und glotzt dich an, warum deine Karte nicht geht. Du kannst die Ware nicht bezahlen und zuhause hast du 5 hungrige Kinder. Das ist kein angenehmer Moment. Aber mich hat das eher motiviert. Da kommt eher so eine Wut in einem auf. „Warum kriegen wir das nicht hin, dass wir da ausreichend Geld dafür bekommen?“ Andere schaffen‘s ja. Vielleicht sind wir da zu ehrlich gewesen.
Aus dieser Wut heraus hol ich mir dann die Motivation. Weil es geht ja nicht nur um Christoph und mich, sondern es geht um tolle Menschen, die bei uns an Bord sind. Das ist eigentlich das, was mir am meisten Freude macht. Klasse Menschen, die auch in so schwierigen Situationen sagen: „Ich steh zu 100 % hinter carbonauten, wie kann ich helfen“. Das ist schon sehr beeindruckend, das ist toll. Also schon im Namen dieser Menschen, können wir gar nicht aufgeben.